Constant Nieuwenhuys’ New Babylon, entstanden zwischen Ende der 1950er und Anfang der 1970er Jahre, ist das düster-expressive Gegenstück zum Pop-Appeal von Plug-in City. Auf Stützen und Pfeilern erheben sich die ‚Sektoren’, Constants Stadtteile, über die Erde, schieben sich labyrinthartig ineinander und bilden ein undurchschaubares Geflecht von Ebenen und Passagen, Verspannungen und Streben. Eine Orientierung, einen Masterplan gibt es nicht; New Babylon hat weder ein Zentrum noch Anfang oder Ende.
Es gehört zu den erstaunlichen Volten der Kunstgeschichte des 20.
Jahrhunderts, dass Constant, Mitbegründer der Künstlergruppe Cobra und
einer der Exponenten expressiv-gestischer Malerei, zum wichtigsten
Erneuerer geometrisch-raumbezogener Kunst in den 1950er Jahren wurde.
Zusammen mit dem Architekten Aldo van Eyck arbeitete er an
Raum-Farbkonzeptionen, beteiligte sich an den Debatten über Architektur
und Urbanismus in den Architektengruppen ‚De 8’ und ‚Opbouw’,
kooperierte mit Gerrit Rietveld und nahm 1953 an der CIAM Konferenz in
Aix-en-Provence teil. Aus dem Maler wurde ein Entwerfer, dessen
visionäre Projekte sich an der gesellschaftlichen Praxis orientieren.
Er schloss sich der Situationistischen Internationale an, Guy Debord
wurde für einige Jahre zu seinem wichtigsten Gesprächspartner.
New Babylon ist weniger eine künstlerische Stadtvision, wie die ab 1958 entstehenden skulptural gestalteten Modelle der Sektoren vermuten lassen. Es folgten Detailplanungen, technische Zeichnungen, Grundrisse und präzise Beschreibungen der Megastruktur. Constant war davon überzeugt, dass die ersten Sektoren in absehbarer Zeit entstehen würden. Rhizomartig sollten sie sich ausbreiten, die überkommenen Städte und die Landschaft überziehen und nach und nach zu einem weltumspannenden Netzwerk zusammenwachsen. Im Inneren sollten sich die neuen Babylonier, durch die Automatisierung der Produktion von Arbeitund Sesshaftigkeit befreit, durch die labyrinthischen Passagen treibenlassen, bestimmt einzig von ihrer Imaginationskraft und Kreativität. New Babylon ist das Ende aller Städte ebenso wie das Ende der Kunst, die hier in die kollektive Praxis, ins Leben münden soll.
MR